Redebeitrag zu rechten Netzwerken bei der Polizei auf der Kundgebung gegen den lokalen Thor Steinar Laden am 11. Dezember 2020.
Heute erzählen wir mal nichts zu irgendwelchen Jahrestagen. Stattdessen wollen wir über ein Thema reden, dass mit Thor Steinar nur am Rande verbunden ist, weil es um einen kleinen aber sehr speziellen Teil der Kundschaft von Thor Steinar geht: Im Oktober machte ein Zivilpolizist in Köln Schlagzeilen, der am Rande einer Kundgebung in Gedenken an die Betroffenen des rechtsterroristischen Anschlags in Halle in Thor Steinar-Kleidung auftrat. Von Demonstrant*innen konfrontiert gab sich dieser als Zivilbeamter zu erkennen. Auch von Thorsten Wollschläger, Mitarbeiter der Polizeiverwaltung aus Hamm, der im Verdacht steht, Unterstützer der Gruppe S. zu sein, ist bekannt, dass er extrem rechte Kleidung trug. Ob es sich dabei um Klamotten von Thor Steinar handelte, ist unbekannt, ein Katalog der Marke lag aber zwischenzeitlich auf seinem Schreibtisch. Ihr ahnt es also: wir wollen ein wenig über extreme Rechte in der Polizei reden.
Dass das Phänomen mittlerweile einen eigenen Hashtag namens Polizeiproblem besitzt, liegt nicht zuletzt an der Masse entsprechender Vorfälle in den vergangenen Jahren. Bis dato gern als linke Verschwörungstheorie oder Hetze abgetan, lässt sich der Umstand nicht mehr leugnen, dass zahlreiche Beschäftigte der Polizei, aber auch anderer Sicherheitsbehörden, in der Rechten bis extremen Rechten beheimatet sind und viele davon sich sowohl innerhalb als auch nach Außen vernetzen. Ein paar Beispiele aus dem Jahr 2020: In Hamm wurden neben Thorsten Wollschläger noch weitere rechte Prüffälle entdeckt, darunter der ehemalige stellvertretende AfD-Kreissprecher. Gegen eine Beamtin wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil sie Mitgliedern einer rechten Söldnertruppe Zugang zu Hospitationen bei der Polizei Hamm verschaffte. Sie selbst hatte eine Nebentätigkeitsgenehmigung für diese Truppe. Die AfD im Kreis Coesfeld brüstete sich jüngst damit, bei ihr würden sich Polizist*innen und Soldat*innen organisieren. In Essen und Mülheim wurden Chatgruppen ausgehoben, in denen sich rechte Beamt*innen vernetzten und so weiter.
Warum das ein Problem ist, sollte keiner Erklärung bedürfen. Wir machen’s trotzdem. Rechte Ideologie und ihre Vertreter*innen sind grundsätzlich überall ein Problem. In der Schule, hinter der Theke beim Bäcker, als Feuerwehrchef…. In Sicherheitsbehörden sind sie allerdings besonders gefährlich. Neben dem Zugang zu Waffen, Munition und der Ausbildung im Umgang damit – und wie wir spätestens seit den Recherchen zum Hannibal-Netzwerk wissen, nutzen sie all das auch für ihre Zwecke – haben sie Zugang zu Informationen. Informationen über ihre politischen Gegner*innen, die sie wie in Berlin an ihre Kamerad*innen außerhalb von Behörden weitergeben oder gleich selbst nutzen. Der sogenannte NSU 2.0 lässt grüßen. Darunter fallen aber auch Informationen über die eigenen Leute. So schickte sich Thorsten Wollschläger ein vertrauliches Lagebild zu Reichsbürger*innen, zu dem er Zugang hatte, an seine private Mailadresse. Es sollte also eigentlich nicht nur im Interesse einer kritischen Zivilgesellschaft, sondern auch der Behörden selbst liegen, Rechte ausfindig zu machen und ihrer Positionen zu entheben.
Leider scheitert das viel zu häufig. Es scheitert am Wegsehen, am Kleinreden und Bagatellisieren. Wer auf Rechte in der Polizei hinweist, wird von ihren innenministeriellen Dienstherren und den Pressestellen der Polizeigewerkschaften mit dem Vorwurf des Generalverdachts niedergeknüppelt, der zwar in der Debatte nie wirklich eine Rolle gespielt hat, aber ein dankbares Schreckgespenst abgibt, welches nicht nur in Kolumnen von FAZ und BILD umgeht. Ursache für sinkendes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden solle nicht etwa das jahrelange Leugnen eines strukturellen Problems mit rechten Einstellungen sein, sondern das Kritisieren dieses Leugnens. Es scheitert aber auch am Korpsgeist. Kolleg*innen schweigen, wenn andere in Chatgruppen über das Ermorden von Minderheiten witzeln. Oder ihre Vorgesetzten schweigen, wenn couragierte Beamt*innen sie in Kenntnis setzen. Thorsten Wollschläger ist häufig als Rechter aufgefallen. Um ihn unter die Lupe zu nehmen, reichte es offenbar nie. Nicht als Reichskriegsflaggen an seinem Balkon hingen, nicht als rechte Aufkleber in seinem Auto klebten, nicht als er rechte Klamotten trug und auch nicht als der Thor Steinar-Katalog auf seinem Schreibtisch lag. Aus seiner Dienststelle lässt sich vernehmen, diese Hinweise wären nicht zusammengeführt worden. Da läge das Problem. Aber schon jeder dieser Vorfälle für sich hätte ausreichen müssen, um Wollschläger zu überprüfen.
Und was bleibt? Das Streiten für die Aufklärung aller bekannt gewordenen Fälle und Verdachtsfälle. Das Pochen darauf, dass Rechte in Sicherheitsbehörden – und auch sonstwo – nix zu suchen haben. Das Ermuntern, nicht wegzusehen, wenn Kolleg*innen extrem rechte Einstellungen zum Besten geben. Das Beharren auf der Notwendigkeit unabhängiger Kontrollinstanzen. Und das Streiten für eine Gesellschaft, in der vielleicht irgendwann mal rechte Ideologien überwunden sein werden.