Am Samstag wurde auf der antifaschistischen Kundgebung gegen den Naziaufmarsch ein Redebeitrag gehalten, den Dortmunder Genoss:innen geschrieben haben. Wir möchten ihn an dieser Stelle dokumentieren und danken für das Schreiben:
Erfreulich lange hat es gedauert, bis die Dortmunder Naziclique, die sich auf den Trümmern ihres lokalen Ablegers der Kleinstpartei „Die Rechte“ tummelt, mal wieder eine Demonstration zustande gebracht hat. Anlass ist diesmal der plötzliche aber wenig überraschende Tod des berüchtigten Neonazis, Althools, Borussenfrontgründers und Ex-Mitglieds des Dortmunder Stadtrats, Siegfried Borchardt, genannt SS-Siggi. Es liegt uns fern, den Tod von Menschen zu feiern, aber wir sind sicher, dass nur wenige SS-Siggi vermissen werden, und dass die Welt kein schlechterer Ort ohne ihn ist.
Der deutliche Rückgang solcher öffentlicher Veranstaltungen in den letzten Monaten und Jahren liegt wohl in der organisatorischen Schwächung durch Wegzüge und Inhaftierungen unter den Dorstfelder Nazis begründet. Die Nazis reorganisierten sich 2012 direkt nach dem Verbot ihrer Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“ in der Kleinstpartei „Die Rechte“, für die Siegfried Borchardt 2014 wenige Wochen im Stadtrat saß.
Doch nach Borchardt warfen nacheinander erst Ex-Anführer Dennis Giemsch und dann vor einiger Zeit auch der wenig charismatische, aber zugegeben engagierte Michael Brück das Handtuch, sodass der Sitz im Stadtrat an einen Hinterbänkler ging. Spätestens seit diesem Zeitpunkt verlieren die Partei und mit ihr die Aktivitäten der Neonazis immer mehr an öffentlicher Wahrnehmung und in einer Abwärtsspirale scheinen sich die Nazis zunehmend selbst zu bespaßen, indem sie vor allem neonazispezifischen Freizeitaktivitäten wie Kampfsport oder Gedenkveranstaltungen für Rechtsradikale und Kriegsverbrecher nachgehen oder diese organisieren.
Das ist jedoch nur bedingt ein Grund zum Jubeln, denn auch wenn es erfreulich ist, dass die großen Aufmärsche wie in der ersten Hälfte der 2010er Jahre offenbar Geschichte sind, bleiben die Neonazis gefährlich für diese und sowieso für jede Form einer freieren Gesellschaft. Ganz besonders jedoch, und daran hat sich nichts geändert, für diejenigen, die nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen.
Jüngst bekannt gewordene Verflechtungen mit dem Rocker- und Hooliganmilieu mit möglichen Verbindungen zur organisierten Kriminalität unterstreichen diese Gefahr, die für alle besteht, die den Neonazis im falschen Moment in die Quere kommen. Verflechtungen dieser Art, so besorgniserregend sie sind, sind im Übrigen nichts Neues im Dortmunder Neonazimilieu, sondern ziehen sich durch die Geschichte der letzten Jahrzehnte.
Wenn die Nazis vermeintlich hier sind, um einer Elendsgestalt wie Siegfried Borchardt zu gedenken, dann spricht das Bände. Wer Borchardt in den letzten Jahren, wenn nicht mittlerweile Jahrzehnten, erlebte, weiß, dass nicht die Rede sein kann von einem aufrechten Streiter für die nationale Sache, sondern allerhöchstens von einer historischen Galionsfigur, die ihren Ruhm und die herbeifantasierte Strahlkraft aus einer Vergangenheit zieht, die sehr lange zurück liegt und die längst im Alkohol ersäuft worden war.
Wir wollen hingegen auch diesen Anlass nutzen, um uns solidarisch zu erklären mit den unzähligen Menschen, die von Siggi und seinen Schergen verletzt und in Angst und Schrecken versetzt worden sind und um derer zu gedenken, die seit 2000 in Dortmund bekanntermaßen von Neonazis ermordet wurden:
Thomas Goretzky
Yvonne Hachtkemper
Matthias Larisch von Woitowitz
Mehmet Kubaşık
Thomas „Schmuddel“ Schulz
In Gedenken an die fünf Getöteten, an die Opfer des NSU, von Hanau, von Halle, von Idar-Oberstein und alle anderen Opfern rechtsextremer Gewalt sind wir heute hier und sagen ‚Nie wieder!‘
Angesichts des gesellschaftlichen Rechtsrucks, dee widerwärtigen Push-Backs an jeder Außengrenze, die die Friedensnobelpreiträgerin EU zu bieten hat, angesichts rechter Umtriebe in Polizei und Bundeswehr, verrückter aber brandgefährlicher Corona-Leugner:innen und natürlich im Kampf gegen organisierte und nicht organisierte Neonazis fordern wir euch auf:
Tut euch zusammen, in der Schule, in der Nachbarschaft, im Viertel, im Sportverein, in der Uni, im Betrieb, in der Familie oder wo es euch gefällt und tretet den Faschist:innen entgegen. Wo immer nötig und mit allen Mitteln!
Antifaschistische Aktion Eving-Süd/Lindenhorst