Diesen Oktober jähren sich erneut zwei Zäsuren: Der Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019, bei dem ein Rechtsterrorist einen Anschlag auf die Synagoge verübte und zwei Menschen ermordete. Und der 7. Oktober 2023, an dem die Hamas und ihre Verbündeten in Israel das größte antisemitische Massaker seit der Shoah verrichteten: über 1200 Tote, mehr als 200 Geiseln – fast 50 von ihnen immer noch verschleppt. Beide Ereignisse zeigen, dass Antisemitismus kein Relikt der Vergangenheit ist, sondern eine tödliche Realität der Gegenwart.
Doch Halle und der 7. Oktober stehen nicht allein. Von Pittsburgh bis Washington, von Jersey City bis Paris – die Liste antisemitischer Anschläge weltweit ist erschreckend lang. Vor wenigen Tagen reihte sich ein Angriff auf Besucher:innen einer Synagoge in Manchester an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, ein. Und über die tödlichen Attentate hinaus kommt der „alltägliche“ Antisemitismus hinzu: Beleidigungen, gewalttätige Übergriffe, Hetze im Netz. Es zeigt sich ein globaler Kontinuitätsstrang: Antisemitismus ist ein strukturelles und weltumspannendes Problem.
Dabei ist er kein Monopol einer bestimmten politischen Strömung. Von rechts kommt er etwa von Neonazis und Verschwörungsgläubigen. Islamist:innen träumen offen von der Vernichtung Israels. Die sogenannte Mitte bildet dabei keine Ausnahme. Dass Synagogen in Deutschland von der Polizei bewacht werden müssen, dass jüdische Kinder keine jüdischen Symbole in der Schule zeigen, dass jüdische Studierende in Universitäten bedroht und ausgegrenzt werden, dass es zu antisemitischen Vorfällen gegenüber jüdischen Sportvereinen kommt – all das ist keine „Randerscheinung“, sondern zeigt, dass der Hass immer noch in der gesamten Gesellschaft steckt. Und während in Gaza noch immer fast 50 Geiseln festgehalten werden, während ihre Familien seit einem Jahr zwischen Angst und Trauer leben, rechtfertigen in Deutschland Demonstrationen offen den Terror und rufen zur Vernichtung Israels auf.
Dass Teile der (radikalen) Linken dabei mitziehen, ist so ernüchternd, wie es zu befüchten war. Unter dem Mantel eines „Antizionismus“, der Israel als das große Böse ansieht, beeilten sich manche Linke darin, den Massakern und Entführungen des 7. Oktober 2023 irgendeine progressive Qualität als „legitimem Widerstand“ anzudichten. Aufrufe zu Anti-Israel-Demonstrationen am 2. Jahrestag des Massakers z.B. in Berlin, aber auch um die Ecke in Münster sprechen eine klare Sprache. Für die Verurteilung der militärischen Reaktion Israels wiederum scheint kaum eine Formulierung krass genug.
Dass es gleichzeitig möglich sein muss, Sicherheit für Jüdinnen:Juden und alle anderen Israelis zu fordern und ebenso das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung anzuerkennen und dessen Ende zu fordern, wird über Bord geworfen für eine Betrachtung des Nahostkonflikts, die nur absolute Legitimation der Palästinensichen und absolute delegitimation der Israelischen Handlungen kennt. Dass besagter „Antizionismus“ sich immer wieder auch in kaum noch kaschierten antisemitischen Parolen Bahn bricht, zeigt, dass auf Teile der Linken im Kampf gegen Antisemitismus derzeit nicht nur kein Verlass ist, sondern diese selbst als Brandbeschleuniger auftreten.
Als Linke und Antifaschist:innen sollten wir für Frieden und Freiheit aller Menschen einstehen und uns gleichzeitig entschlossen gegen Krieg, Terror, Rassismus und Antisemitismus stellen. Anlässlich der schrecklichen Jahrestage des 7. und 9. Oktobers veranstaltet das Dortmunder Netzwerk gegen Antisemitismus eine Gedenkveranstaltung am 9.10. um 18 Uhr an der Reinoldikirche. Gedenken wir der Opfer von Halle, der Opfer des 7. Oktober und aller anderen Opfer antisemitischer Gewaltverbrechen. Stehen wir ein für die Befreiung der Geiseln. Widersprechen wir den Hetzer:innen auf der Straße, in den Hörsälen und in den Parlamenten.
Gegen jeden Antisemitismus!