Rechte Hassliebe – „Die Rechte“ und ihr Verhältnis zu Deutschland & Europa

Die neonazistische Kleinstpartei „Die Rechte“ plant als Abschluss ihres Europawahlkampfes unter dem Motto „70 Jahre BRD – Wir feiern nicht!“ in Dortmund einen Aufmarsch am 25. Mai. Dies wollen wir zum Anlass nehmen, das Wahlkampfprogramm auseinanderzunehmen und aufzuzeigen, dass dieses nicht nur gegen jede Menschlichkeit ist, sondern auch ein anschauliches Beispiel für die Widersprüchlichkeit der NS-Ideologie. Hierzu sollen in den kommenden Wochen weitere Texte mit unterschiedlichen Schwerpunkten veröffentlicht werden.
 
In unserem ersten Text wollen wir uns genauer mit dem Verhältnis von „Die Rechte“ zur Deutschland und Europa beschäftigen.
 
Schon am Motto ihrer Demonstration „70 Jahre BRD – Wir feiern nicht!“ ist das Verhältnis der Neonazis zu Deutschland plakativ zusammengefasst. Die Freude um das siebzigjährige Bestehen der Bundesrepublik zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten von bürgerlich bis konservativ. Für Die Rechte“ ist das allerdings kein Grund zur Freude. Vielmehr konfrontieren sie die BRD mit ihrer idealen Vorstellung eines völkischen Deutschlands. Diese Gegenüberstellung kann als eine Projektion von zwei unterschiedlichen Vorstellungen von Deutschland gesehen werden. Das heutige Deutschland wird als Negativbild gemalt. Diesem wird auf der anderen Seite ein Idealbild eines zukünftigen – aber dennoch nicht weniger rückwärtsgewandten – Deutschlands entgegen gehalten. Diese Eigenschaften, die – in diesem Falle den zwei eingebildeten Versionen Deutschlands – zugeschrieben werden, müssen nicht der Realität entsprechen; der Gegenstand, auf den zugeschrieben wird, muss mit diesen noch nicht einmal in Verbindung stehen. Entscheidend probelmatisch ist hierbei nicht, dass etwas überhaupt der Außenwelt zugeschrieben wird, sondern dass dieser projektive Vorgang nicht reflektiert wird und unerkannt bleibt. 
 
Die Zustände, die „Die Rechte“ wahrzunehmen meint, sind zumeist weit von der Realität entfernt. Die Neonazis haben ein autoritäres Gesellschaftsverständnis, indem  die nicht zugelassenen Vorstellungen und Wünsche dem heutigen – aus ihrer Sicht liberalen, verweichlichten und überfremdeten – Deutschland zugeschrieben und damit veräußerlicht werden. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, dass das heutige Deutschland in kaum einer Weise als generelles Gegenbild zum faschistischen Traum taugt. Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Nationalismus sind in diesem nicht nur bereits angelegt, sondern gehören in unterschiedlicher Weise zur Grundausstattung Deutschlands.
 
Im Gegensatz zur vermeintlich zu linken Bundesrepublik werden der völkischen Wunschvorstellung eines Deutschen Reichs alle für sie positiv besetzten Eigenschaften zugeschrieben. Das eingebildete BRD-Gegenbild der Partei „Die Rechte“ versucht, in diesem Sinne ein wahres Eden der angeborenen Volkszugehörigkeit zu sein, welches als zukünftiges, schützenswertes und paradiesisches Idealkollektiv gegen die BRD aufgerichtet wird. Dieses Idealkollektiv ist dabei pseudo-biologisch definiert: Deutsch – und somit der Volksgemeinschaft zugehörig – ist diejenige Person, deren Vorfahren als deutsch gelten. Eine Deutschwerdung – z. B. durch die Staatsbürgerschaft – ist in diesem biologistischen Verständnis ausgeschlossen und verweist auf die ausgrenzende und Menschen nach willkürlichen Kriterien unterteilende Logik nationalistisch-rassistischer Ideologie. Indem durch die Geburt die Zugehörigkeiten und Loyalitäten zu Völkern schon im Vorfeld verteilt sind, kommt es nicht von ungefähr, dass sie dieses autoritäre Ideal mit dem Wunsch nach vermeintlich benötigtem Schutz durch soldatische Wehrhaftigkeit Deutschlands „als  Bollwerk  der  weißen  Rasse“ auf dem europäischen Kontinent verknüpfen. Mit dem Verhältnis der Partei „Die Rechte“ zu diesem soll sich nun im Folgenden genauer beschäftigt werden.
 
Die Partei „Die Rechte“ hat zu diesem europäischen Kontinent ein ähnlich ambivalentes Verhältnis wie zu Deutschland. Auch hier gibt es eine deutliche Differenz zwischen dem Idealbild eines „Europas der Nationen und Vaterländer“ und der als „Multikulti“ abgewerteten, angeblich von Migrant*innen überschwemmten Europäischen Union. Wenig originell – aber nicht weniger strukturell antisemitisch – wird die EU hierbei als „Krake“ dargestellt, welche die vorher souveränen Staaten mit ihren Richtlinien und Bestimmungen „terrorisiert“. In ähnlich personalisierender Weise sei die Regierung Deutschlands dann eine Gehilfin aus Brüssel, die gegen das selbstpostulierte Volksinteresse handele.
 
Es gibt zwar einen ähnlichen Prozess der Spaltung in Negatives und Positives, doch kommt es durch die inhaltlichen Forderungen bezüglich Europa zu unmittelbaren Widersprüchen. Das angebliche „Europa der Vaterländer“ erscheint bei „Die Rechte“ eher als ein Europa des deutschen Vaterlandes. So wünschen sie sich – wenig verwunderlich – ein Deutsches Reich inklusive aller Gebiete, die sie als „deutsch“ ansehen. Diese Reduzierung auf vermeintlich natürliche und angestammte Gebiete funktioniert natürlich nur für die eigene Nation. Es ist anzunehmen, dass beispielsweise polnische Nationalist*innen wenig erfreut sein dürften über die Realisierung des Traumreichs der deutschen Rechten.
Hier zeigt sich nicht nur ein Widerspruch rechter Ideologie, sondern auch die generelle Willkür und die ständige Konkurrenzsituation nationaler Grenzsetzungen, welche die Irrationalität einer in Nationalstaaten geteilten Welt unterstreicht: Der Bezug auf die eigene Souveränität verhüllt zumeist nur schlecht ein Streben nach Vormacht der eigenen Nation. Zu betonen ist hierbei, dass nicht erst das nationalsozialistische Extrem die Logik einer nationalen Verfasstheit verzerrt. Jegliche sich auf Nation und Staat positiv beziehende Politik steht einer emanziatorischen Perspektive entgegen.
 
Ein stetig wiederkehrendes Motiv im Wahlkampf von „Die Rechte“ ist im Weiteren die – mehr schlecht als recht glückende – Selbstinszenierung als Vorkämpfer oder Avantgarde des deutschen Volkszorns gegen BRD und EU. Ob bei der Ausbeutung des*der deutschen Arbeiter*in oder der allgemeinen Diskriminierung des kleinen Mannes, die ach so „edlen Retter“ des deutschen Volkes wissen schon im Vorfeld, wo die Schuldigen in den Parlamenten und Gerichten sitzen. Der Wunsch, ein Strafbedürfnis auch bei dem*der/den angeblich geknechteten Deutschen zu wecken, äußert sich in der Forderung nach Volksgerichten und den Rufen, endlich in Deutschland aufräumen zu wollen. Das „wahre Deutschland“ solle somit das „falsche Deutschland“ – und das „falsche Europa“ gleich mit – abstrafen.
 
Dass die Neonazis hierfür immer wieder auf klassische Nazi-Terminologie zurückgreifen, ist erstmal keine Überraschung, besonders mit Blick auf das Bild der „Die Rechte“ von ihrem zukünftigen Europa. Ihre einschlägige Sprache unterstreicht ebenfalls die Abgrenzung von anderen Gruppierungen und Personen (wie der Neuen Rechten und der Identitären Bewegung), welche zumindest hin und wieder versuchen, Nazi im Schafspelz zu spielen. Besonders offensichtlich zeigt sich diese klassische Nazi-Sprache zum Beispiel beim gewünschten Bau eines neuen Atlantikwalls im Mittelmeer. Zum einen ist dies nicht mehr als eine provokante Stilblüte rechten Geographieverständnisses, zum anderen drückt dieser aber inhaltlich die Vorstellung einer vollständig abgeschotteten und ausgebauten Festung Europa in Zukunft aus. Eine Zukunft wohlgemerkt, die nicht nur die Partei „Die Rechte“ eifrig zu bauen versucht. Es bleibt bezugnehmend auf diese wirre Vorstellung zu hoffen, dass die Abschottung im Mittelmeer sich als ähnlich kurzlebig erweist wie der damalige Atlantikwall in der Normandie.
 
Zusammenfassend können wir sagen, dass die Partei „Die Rechte“ mit ihren Forderungen versucht, sich als extremste Form einer nationalistischen Bewegung zu zeigen. Zentral drückt sich dies in ihren Bestrebungen der Überwindung des bestehenden Deutschlands aus; zugunsten einer autoritäreren und offen faschistischen Version. Getreu dem Motto „Die BRD muss sterben, damit Deutschland leben kann“ schafft sich „Die Rechte“ einen Schein eines vermeintlich völlig anderen Deutschlands. Letztlich zeigt sich jedoch nur, dass Nazis nach 1945 die abenteuerlichsten Mentalkonstruktionen anstellen müssen, um sich überhaupt noch positiv mit Deutschland identifizieren zu können.
 
In Abgrenzung zu dem Motto „70 Jahre BRD – Wir feiern nicht!“ kann eine emanzipatorische Perspektive auf Deutschland nur darin bestehen, die Logik der Nationalstaaten zu überwinden und eine alternative Gesellschaft zu entwickeln, in der das gute Leben für alle möglich ist. Auch wenn BRD und Drittes Reich nicht identisch sind, eröffnet keines von beiden die Möglichkeit eines Lebens jenseits von Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Kapitalismus, Nationalismus, Homophobie, Transphobie, Lookismus, Ableismus und Antiziganismus. Damit verwehrt es vielen Menschen überhaupt ein Leben. Die Konstruktion eines solidarischen Lebensentwurfes, welche über eine nationalistische Logik hinausgeht, feiert Deutschland in keiner Version. In ähnlicher Weise kann die EU kein positiver Bezugspunkt linker und antiautoritärer Praxis sein. Ein Projekt, welches sich selbst zur Festung entwickeln möchte, reproduziert nationalistische Stereotype auf erweiterter Stufenleiter. Eine Deutschland und die EU aufhebende Form gesellschaftlichen Zusammenlebens kann dementsprechend nur insofern bestehen, als sie den konkreten Menschen in seiner jeweiligen Besonderheit respektiert und als eigenständiges Subjekt anerkennt und dabei nicht auf seine vermeintliche Zugehörigkeit zu Rasse, Geschlecht oder Kontinent reduziert.
 
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