Im letzten Text haben wir uns gefragt, in welchen Punkten die Partei „Die Rechte“ im Kontext ihres Europawahlprogramms an gesellschaftlich breiter akzeptierte Diskurse anknüpfungsfähig ist. Relevant ist dies auch daher, weil „Die Rechte“ sich viel Mühe gibt, sich als besonders radikale Partei zu inszenieren. Gerade in ihrem Antisemitismus, der in seiner Offenheit und Intensität deutlich über gesellschaftlich verbreitetere Formen des Antisemitismus hinausgeht, wird das sehr deutlich. Das zeigt sich zum Beispiel bei ihrer Spitzenkandidatin Ursula Haverbeck, die wegen der mehrfachen Leugnung des Holocausts im Moment eine Haftstrafe von zwei Jahren verbüßt. Natürlich ist Antisemitismus in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft verankert und gerade in der Kritik am Handeln des israelischen Staates schwingt oft ein antisemitischer Ton mit. In der Offenheit, in der ihn „Die Rechte“ allerdings praktiziert, stößt dieser selbst in der Mehrheitsgesellschaft auf Ablehnung.
Ein weiteres Beispiel für die selbstgebaute Isolierung von zumindest konservativen, bürgerlichen Milieus ist die Forderung nach der Wiedereinführung der Todesstrafe. Diese fordern sie in besonders schweren Fällen von Vergewaltigung und Drogenhandel, ebenso wie bei Landes- und Hochverrat. Zentral ist dieser Punkt nicht nur als politische Agenda abzulehnen, sondern ist zugleich auch in Bezug auf das eigene Umfeld der Partei „Die Rechte“ widersprüchlich. So gibt es in ihren eigenen Reihen einige verurteilte Straftäter*innen, gerade in Bezug auf Drogenhandel. Wichtig zu betonen ist bei dieser kruden Forderung nach härteren Strafen natürlich, dass es hierbei nicht darum gehen kann, den derzeitigen Status quo gegen die autoritäre Vorstellung der Nazis als Gipfel der Menschlichkeit zu verklären, sondern eine Kritik zu entwickeln, welche sich sowohl gegen künftige Schreckensvorstellung des Strafsystems als auch gegen seine derzeitige Form richtet.
Diesen Punkten gegenüber ergeben sich trotz aller Abgrenzungsversuche auch einige Bereiche in welchen „Die Rechte“ sich als anknüpfungsfähig an breitere gesellschaftliche Schichten zeigt.
Ein erster sehr eindeutiger Anknüpfungspunkt ist der Themenkomplex um Migration. Sie stellen die Forderung nach Abschiebungen und Abschottung als provokante Forderung in der Europapolitik dar. Dabei ist diese gar nicht so weit von der Sicht anderer Parteien entfernt, die lediglich versuchen, inhumane Forderungen euphemistisch zu verpacken. Deutlich wird das bei der Inszenierung als „Abschiebepartei Nr. 1“. Die Anknüpfbarkeit besteht im Wunsch nach konsequenten Abschiebungen aller angeblich „illegaler Migrant*innen“. Lediglich der „motivierende“ Tonfall unterscheidet sich teilweise von anderen Parteien. Während z.B. die CDU und CSU Abschiebungen als notwendiges und leider unausweichliches Mittel darstellen, zeigt „Die Rechte“ demgegenüber einen rassistischen Sportsgeist, bei dem Abschiebungen zum Selbstzweck stilisiert werden.
In ähnlicher Weise zeigt sich thematische Nähe auch im Umgang mit Organisationen, welche versuchen, geflüchteten Menschen zu helfen. Mediale Angriffe und Kriminalisierungsversuche gegen solche Organisationen sind seit einigen Jahren schon nicht mehr auf die extreme Rechte beschränkt. Wenn „Die Rechte“ von „Asyl-Lobby“ spricht, die AfD ebenfalls den exakt gleichen Begriff seit einigen Jahren verwendet, Alexander Dobrindt von einer „Anti-Abschiebe-Industrie“ schwafelt und Seehofers bester Freund Victor Orbán mit der Partei „Die Rechte“ in ihrer antisemitischen Hetze gegen George Soros übereinstimmt, zeigt sich deutlich, dass diese vermeintliche „Kritik“ nicht nur wichtiges Thema für explizite Neonazis ist, sondern auch für ein breiteres Publikum aktuelle Relevanz hat.
Hand in Hand geht dieses Thema auch mit dem Komplex der angeblichen „Islamisierung des Abendlandes“. Durch vermeintlich offene Grenzen befürchtet die Partei eine zunehmende Anzahl muslimischer Menschen in Deutschland und dadurch eine „islamische Prägung“ deutscher Städte. Dies möchten sie neben der bereits erwähnten Verunmöglichung von Migration durch ein Bauverbot von Großmoscheen verhindern. Dass dies ein Thema ist, das sich nicht nur in der extremen Rechten wiederfindet, hat vor allem der letzte Bundestagswahlkampf und die immer wieder aufkommende Debatte, ob der Islam denn nun zu Deutschland „gehöre“, leider gezeigt. Gerade bei der Frage um den Bau von Moscheen regt sich regelmäßig Protest von Seiten der AfD, CSU und diverser Bürgerinitiativen.
Neben diesem Themenkomplex findet „Die Rechte“ des Weiteren den wohl größten Anknüpfungspunkt bei der Ablehnung aller Lebensweisen, die von klassischen Mutter-Vater-Kind-Familien abweichen. Sie fordern das Verbot des CSDs und lehnen die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare ab. Genauso könnte eine solche Meinung von CDU, CSU, (radikal-)konservativen und diversen christlichen Verbänden etc. kommen. Die Bundeskanzlerin selbst stimmte 2017 gegen die Öffnung der Ehe. Wie anschlussfähig solche Themen sind, zeigt sich auch bei den Veranstaltungen der „Demo für Alle“, bei denen auch die AfD stark mitmischt. Jene ist eigentlich genau das Gegenteil von dem, was sie ihrem Namen nach vorgibt, zu sein: keine Demo für alle, sondern eine Plattform allein für heterosexuelle Cis-Menschen, die sich in ihrer Feindlichkeit gegen alles, was davon abweicht, zusammenfinden. Hauptsächlich haben sie sich in den letzten Jahren mit dem Protest gegen einen Bildungsplan in Baden-Württemberg beschäftigt, der eine diversere Bildung zum Thema Sexualität und Liebe beinhaltet. „Die Rechte“ redet ebenso wie zum Beispiel die „Demo für Alle“ von „Frühsexualisierung“ und behauptet, es würden schon Kindern im Kindergartenalter verschiedene Sexpraktiken beigebracht. Beide fordern ein Verbot dieser vermeintlichen „Frühsexualisierung“ und den Schutz der Kinder vor der „Gender-Ideologie“. Prominenten MitstreiterInnen der „Demo für Alle“, allen voran Birgit Kelle, Mitinitiatorin und Autorin mehrerer homo- sowie frauenfeindlicher Bücher, wird etwa in Talkshows immer wieder eine Bühne geboten, obwohl sie „Die Rechte“ in der Radikalität ihrer Feindlichkeit kaum nachsteht.
Als dritten anknüpfungsfähigen Aspekt findet „Die Rechte“ auch Anschluss bei der Frage nach dem Einsatz gentechnisch veränderter Lebensmittel. Mit der Forderung eines generellen Verbots derselben ist die Partei nicht allein, wobei auch hier auffällig ist, dass sich ihre Kritik zumeist personalisierend und verkürzt gegen die „gierigen Konzerne“ und „die Lobbyisten“ richtet. Dennoch findet sich gerade bei umweltschutzorientierten Nicht-Regierungs-Organisationen oder anderen Parteien eine ähnliche Kritik an gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln. Selbst auf europäischer Ebene werden regelmäßig genmanipulierte Saatgutarten nicht zugelassen, allerdings ohne ein generelles Verbot für genmanipulierte Erzeugnisse auszusprechen. Dass Rechte sich für Umweltschutz und Natur interessieren, ist kein neues Phänomen und reicht historisch bis in die Anfänge der Umweltbewegung zurück. Trotzdem bleibt es mehr als fraglich, wie es um das Engagement für Umweltschutz der Partei „Die Rechte“ bestellt ist und welchen allgemeinen Stellenwert diesem Punkt in der politischen Praxis der Partei „Die Rechte“ zugesprochen werden kann, da ökologische Forderungen bisher selten ein wichtiges Wahlkampfthema waren und eher als lückenfüllender Punkt im 25 Punkte Programm daherkommen.
Eine weitere gern genutzte Argumentationsfigur, auf die sich nicht nur „Die Rechte“, sondern auch andere Rechte und Liberale beziehen, ist das Feindbild des „Linksextremismus“. Die Parallelen hier sind nicht erst seit den Empörungswellen im Nachgang der Gipfelproteste in Hamburg 2017 offenkundig. Die Diffamierung von Linken als „Randalierer*innen“ oder „Krawalltourist*innen“ findet sich im politischen Spektrum nicht nur bei den Rechten. Auch SPD, FDP und die CDU/CSU reden gerne von einer vermeintlichen Gefahr durch linke Demonstrant*innen, bei denen dann auch die Anwendung „unmittelbaren Zwangs“ in Ordnung ist – zumal Polizeigewalt in diesem Verständnis von Staatsgewalt nicht vorkommen kann, was nicht zuletzt Olaf Scholz in der ein oder anderen Konferenz eindrücklich zur Schau gestellt hat. Gerade auch im Kontext von Dortmund ist es oft gesamtgesellschaftlich akzeptierter, Neonazis aufmarschieren zu lassen, als sich diesen in den Weg zu stellen. Denn nicht die Nazis, sondern der Protest der radikalen Linken gefährde angeblich sowohl Demokratie als auch Meinungsfreiheit. Die praktische Wirkmächtigkeit dieses Narratives zeigt sich nicht zu Letzt bei den Aufmärschen der Partei „Die Rechte“ wie am 25.05.2019, dem 14.04.2018 oder dem „Tag der deutschen Zukunft“ im Jahr 2017 in Dortmund, bei welchen oftmals der Schutz der Naziroute Ziel der städtisch/ polizeilichen Aktionen sind. Protest, welcher über begleitende und im wahrsten Sinne des Wortes am Rand stehende Kritik hinausgeht fällt schnell unter das Diktum des „Linksextremismus“ und der damit einhergehenden und weit akzeptierten Legitimität von Repression gegen diese.
Trotz dieser aufgeführten Punkte ist es zusammenfassend wichtig die Ambivalenz hinsichtlich der Anknüpfbarkeit des Programms der Neonazipartei „Die Rechte“ nochmals zu betonen, da dieses eben nicht vollständig an zentralen Stellen an größere Teile der Gesellschaft anknüpft. Zwar finden sich einige Punkte, in denen gesellschaftliche Diskurse aufgegriffen – wie beispielsweise bei Gentechnik – oder weiter zugespitzt werden, wie bei Migration. Vor allem der offene Antisemitismus und die deutlichen Bezüge auf das „Dritte Reich“ schrecken etwa rechtskonservative Kreise eher ab. Das ist kein Zufall. Wie andere Neonazis ist auch „Die Rechte“ bestrebt, sich in der eigenen Szene als besonders radikale Vertreter*innen zu profilieren. Dies ist notwendig, da etwa mit dem Aufkommen der AfD, die im Gegensatz zu bisherigen Neonaziparteien wesentlich stärker reale Erfolgschancen besitzt, die eigene Klientel am Abwandern gehindert werden soll. Eine Anbiederung an rechtskonservative Kreise ist unter diesen Konkurrenzbedingungen schlicht nicht erfolgsversprechend.
Gleichzeitig soll aber auch anderen die Möglichkeit geboten werden, sich mit Positionen von „Die Rechte“ zu identifizieren. Dabei geht es nicht, wie oft behauptet wird, um ein Verbiegen der eigenen Ideologie zugunsten von Anknüpfbarkeit. Die Ablehnung von Gentechnik etwa lässt sich durchaus auch aus rechten Vorstellungen von vermeintlicher „Natürlichkeit“ ableiten. Im Programm erfüllen solche Punkte zwar zunächst die Funktion, extrem rechte Ideologie „sympathischer“ wirken zu lassen, denn Arbeitsschwerpunkte der Partei sind sie definitiv nicht. Eine Mäßigung oder punktuelles Aufweichen extrem rechter Ideologie zu konstatieren, wäre allerdings eine sträfliche Fehlinterpretation.