In der Nacht zum 30. April machten sich Aktivist*innen aus ganz Deutschland auf den Weg nach Stuttgart, um gegen den Bundesparteitag der AfD zu demonstrieren. Ziel war es, die Kritik an der AfD, an Rassismus und reaktionären Krisenlösungen auf die Straße zu tragen. Doch was sie erlebten, war eine Repressionswelle durch die Polizei, die unerwartete Ausmaße annahm.
Nicht einmal eine Stunde lang konnten die Demonstrierenden von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch machen. Der Demonstrationszug stand auf einer Kreuzung und blockierte so eine Zufahrt zum AfD-Parteitag. Nach kurzer Zeit stürmten von allen Seiten Polizeikräfte in Prügelmontur auf die Kreuzung und kesselten die 400 Demonstrierenden ein.
Damit begann ein 12-stündiges Repressionsabenteuer. Die Polizei nahm alle Aktivist*innen teilweise äußerst brutal in Gewahrsam. Sie fesselten sie mit Kabelbindern und brachten sie in eine Messehalle, die zu einer GeSa (mobile Gefangenensammelstelle) umfunktioniert worden war. Trotz zahlreicher Beamter und einer üppigen Infrastruktur zog sich allein das Warten auf die Personalienfeststellung über Stunden hin.
Viele, unter ihnen Minderjährige, wurden ohne ersichtlichen Grund in Isolationshaft in Gefängnisbussen untergebracht. Des Weiteren erreichten uns viele Berichte unterlassener Hilfeleistung seitens der Polizei: Gefangene hatten in ihren Zellen keinen Sauerstoff mehr, Menschen, die unter Klaustrophobie litten, wurde nicht geholfen und der Wunsch nach Tampons wurde ignoriert. Getränke und Nahrung stellte die Polizei manchen gar nicht, den meisten immerhin am Nachmittag zur Verfügung. Der Höhepunkt war das willkürliche Ausstellen von Anzeigen: Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung und versuchte Gefangenenbefreiung. Das alles durch bloßes Stehen auf einer Kreuzung.
Einen Tag später, am 1. Mai bei den Protesten gegen den NPD-Aufmarsch in Bochum, erlebten ca. 300 Antifaschist*innen eine ähnlich unangemessene Sanktionierung ihres Protests gegen Rechts. Sie wurden auf dem Weg zur Route des NPD-Aufmarsches festgesetzt und über Stunden festgehalten. Dieses Mal immerhin an frischer Luft.
An diesen zwei Tagen hat die Polizei erfolgreich über 1000 Antifaschist*innen daran gehindert, sich Rassist*innen, Rechtspopulist*innen und Nazis in den Weg zu stellen. Die Gewahrsamnahmen entbehrten jeglicher Grundlage und waren von Anfang an dazu gedacht, den Protest in seiner Masse zu ersticken.
Die Vorgänge reihen sich ein in die zahlreichen Versuche der Polizei, sich als politischer Akteur zu etablieren und seine Rechte massiv auszubauen. G8, Frankfurt, Stuttgart, Bochum. Das sind nur die großen Fälle, bei denen Massenproteste im Keim erstickt und mit Strafanzeigen überseht wurden.
Die politische Botschaft hat die Polizei dabei deutlich gemacht. Während in ganz Deutschland ein rassistischer Mob wütet, der sich in der AfD oder bei Pegida organisiert oder nachts die Unterkünfte von Geflüchteten angreift, führt der Staat den unerbittlichen Kampf gegen Links. Das macht wieder einmal deutlich, dass sich der Protest gegen Rassismus auf keine Partei verlassen sollte. Der Kampf gegen Rassismus und das europäische Grenzregime bleibt selbstorganisierte Handarbeit, die zusammen mit unterschiedlichen Akteur*innen geleistet werden muss. Diesen Kampf muss die organisierte radikale Linke in den Metropolen mit Akteur*innen der weltweiten und europäischen Peripherie führen.
Wir, als Dortmunder Antifaschist*innen, betrachten die Vorgänge am 30.4. und 1. Mai auch mit Blick auf den neonazistischen “Tag der deutschen Zukunft” und die Gegenproteste als äußerst kritisch. An diesem Tag rechnen wir damit, dass die Polizei alles tun wird, um den Kampf gegen reaktionäre Gesellschaftsentwürfe zu behindern.
Dass sich Protest nicht einfach durch Isolationshaft und massenhafte Repression ersticken lässt, wird die Polizei am 4.6. mal wieder einsehen müssen. Wer friedliche Blockaden unmöglich macht, muss mit anderen Konzepten rechnen.
Kein Polizeistaat, keine Nazis und kein Kapitalismus.
Autonome Antifa 170, Mai 2016