Am vergangenen Mittwoch, dem 3. Oktober, wollten Neonazis der Partei ‚Die Rechte‘ zwei Kundgebungen in der Dortmunder Nordstadt und im Kreuzviertel durchführen. Sie wollten damit die Unterstützung von linker Seite für eine Demonstration gegen rechte Strukturen in Hamm schwächen. Dieses Vorhaben ist gescheitert. In Hamm waren rund 450 Menschen auf der Straße und dennoch stellten sich in Dortmund mehrere hundert Antifaschist*innen und Anwohner*innen den Rechten in den Weg. Diese konnten die An- und Abreise bei beiden Kundgebungen massiv stören und verzögern. Was einen Erfolg für unsere Strukturen bedeutet, war aber zugleich überschattet von dem brutalen Vorgehen der Polizei an dem Tag. Im Folgenden wollen wir daher das Fehlverhalten der Polizei dokumentieren, die schwerste Verletzungen der Gegendemonstrant*innen billigend in Kauf genommen hat. Die Autonome Antifa 170 fordert eine Aufarbeitung des Polizeieinsatzes.
Der Polizeieinsatz am Nordmarkt
Bereits bei der Anreise der Neonazis zu ihrer ersten Kundgebung am Nordmarkt gab es Probleme für den Polizeieinsatz. Rund 250 Menschen stellten sich den Neonazis auf ihrem Weg zum Nordmarkt entgegen. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde der Polizei nahegelegt, den Einsatz abzubrechen, um eine unnötige Eskalation zu verhindern. Die Polizei entschied sich bewusst dagegen. Der Weg durch eine Blockade wurde den Neonazis freigeprügelt. Diese versuchten ihrerseits aus der Polizeibegleitung auszubrechen und Gegendemonstrant*innen anzugreifen. Auch hier hätte die Polizei die Versammlung abbrechen können. Das gleiche gilt für den Zeitpunkt, als Gegendemonstrant*innen auf den Neonazi Robin S. aufmerksam machten, der auf der rechten Versammlung offen ein tätowiertes Hakenkreuz zur Schau stellte. An mehreren Stellen im Umfeld des Grünen Salons gingen Polizist*innen auf Antifaschist*innen los, die friedlich versuchten, die Anreise der Neonazis zu verhindern. Erst als der Rechte Robin Z. Polizist*innen angriff, beschäftigten diese sich kurzzeitig auch mit den Neonazis. Immer wieder versuchten diese, den Gegenprotest anzugehen, da die Polizei nicht in der Lage war, beide Seiten wirklich zu trennen.
Der Polizeieinsatz an der Kreuzung Mallinckrodtstraße / Bornstraße
Für die Abreise der Neonazis entschied sich die Polizei, die Rechten über die Mallinckrodtstraße zur U-Bahn-Haltestelle Brunnenstraße zu leiten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Abfahrtswege vom Nordmarkt an zahlreichen Stellen blockiert. Auf dem Weg zur Kreuzung Mallinckrodtstraße / Bornstraße kam es daher immer wieder zu Angriffen durch Polizist*innen auf Gegendemonstrant*innen. An der Kreuzung selbst waren beide Straßenseiten der Mallinckrodtstraße auf Höhe der U-Bahn-Station von friedlichen Blockaden besetzt.
Bevor die Polizei eine Blockade auflöst erfolgen eigentlich drei Ankündigungen der Räumung an die Gegendemonstrant*innen, damit es die Möglichkeit gibt, sich noch von diesen zu entfernen. In der Realität ist das häufig nicht der Fall. Auch an diesem Tag gab es keine Vorwarnung, keinen Aufruf, die Straße zu verlassen, seitens der Polizei. Stattdessen stürmten Bereitschaftspolizist*innen unvermittelt in die Blockade auf der Straßenseite Richtung Nordmarkt. Dabei wurde der Schlagstock mehrfach auf Kopfhöhe von Gegendemonstrant*innen eingesetzt. Ein solcher Schlag kann schwerste Verletzungen verursachen. Angesichts dieses Angriffs löste sich die Blockade sofort auf. Die Polizei setzte den Fliehenden allerdings weiter nach, schlug und trat auf Personen ein. In regelrechten Jagdszenen wurden die Gegendemonstrant*innen auf die nicht vollständig abgesperrte Kreuzung und damit in den Verkehr getrieben. Erst vor wenigen Tagen, am 22. September, jährte sich der Tod des Hausbesetzers Klaus-Jürgen Rattay, der 1981 bei einer Demonstration in Berlin in einer ähnlichen Situation von Polzist*innen in den Verkehr gedrängt und dort von einem Bus erfasst wurde. Auch bei diesem Manöver nahmen die Einsatzkräfte Unfälle und Verletzungen in Kauf. Die Polizei hätte ohne weiteres mit der Räumung warten können, bis die Kreuzung vollständig gesperrt wäre.
Auf der anderen Fahrbahn der Mallinckrodtstraße in Richtung Bornstraße gingen Polizist*innen ebenfalls brutal gegen eine zweite Blockade und umstehende Gegendemonstrant*innen vor. Auf eine wehrlose Person, die von der Polizei hinter den Eingang zur U-Bahn-Station vor dem Gebäude des Ordnungsamtes geschliffen wurde, wurde immer wieder von weiteren Beamt*innen eingetreten. Während die Polizei auf beiden Straßenseiten der Bornstraße die Gegendemonstrant*innen hinuntertrieb, um die U-Bahn-Station für die Neonazis freizuräumen, kam es zu Angriffen und Beleidigungen gegen Gegendemonstrant*innen genauso wie gegen Passant*innen und schockierte Anwohner*innen. Auch hier wurde vom Schlagstock Gebrauch gemacht. Ob sich die Personen währenddessen an die Anweisungen der Polizist*innen hielten oder nicht, spielte dafür keine Rolle.
Der Polizeieinsatz am Sonnenplatz
Am Sonnenplatz konnten sich die Neonazis, die mit ihrem Transporter vorgefahren waren, von der Polizei ungehindert mit Glasflaschen (Robin S. und Matthias D.) und zwei Feuerlöschern (Jim K., Peter G.) bewaffnet aufstellen[1]. Ebenso schien die Polizei nicht gewillt, den vorher mit einer Glasflasche und nun mit einer Kamera bewaffneten Matthias D. daran zu hindern, Aufnahmen von Gegendemonstrant*innen zu machen. Wie auch schon am Nordmarkt wurde die Polizei erst zu dem Zeitpunkt gegen die Neonazis aktiv, als sie selbst angegriffen wurde. Bei der Abreise des Transporters der Neonazis setzten diese den bereits erwähnten Feuerlöscher gegen Gegendemonstrant*innen, Fußballfans und Polizist*innen ein. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn die Polizei den Transporter nicht direkt neben den Gegendemonstrant*innen hätte abfahren lassen. Auch hier hätten die Beamt*innen problemlos Alternativen wählen können. Stattdessen wurden bewaffnete Neonazis in einem Auto am Gegenprotest vorbeigeschickt. Ob das anschließende polizeiliche Vorgehen gegen die Besatzung des Transporters nun tatsächliche Konsequenzen für die Neonazis haben wird oder sich als eine bloße Alibireaktion entpuppt, bleibt abzuwarten.
Fazit
Pressesprecher Tobias Schmidt fasst den Polizeieinsatz so zusammen:
„Der gestrige Tag hat wieder einmal gezeigt, dass die Polizei kaum dazu bereit ist, konsequent gegen die Neonazis vorzugehen und im Zweifel lieber deren Versammlung mit aller Gewalt gegen jeden Widerstand durchboxt, als diese abzublasen. Das gewalttätige Vorgehen der Polizei vor allem in der Nordstadt muss aufgearbeitet werden. Hier wurden schwere Verletzungen bei größtenteils friedlichen Gegendemonstrant*innen in Kauf genommen. Auch die Polizeiführung selbst sollte ein Interesse daran haben, denn es sind Vorfälle wie diese, die die geringe Akzeptanz der Polizei im Viertel weiter sinken lassen. Wer als Passant*in am Rande einer rechten Versammlung von Polizist*innen mit dem Schlagstock traktiert wird, wird sich zweimal überlegen, ob es sich hier noch um ‚Freund*innen und Helfer*innen‘ handelt. Appelle an den Gegenprotest, friedlich zu bleiben, sind eine Farce, wenn dieser zeitgleich mit Pfefferspray und Schlagstock angegangen wird. Der gestrige Tag hat aber auch gezeigt, dass in Dortmund effektiver Protest gegen Neonazis möglich ist. Die Polizei ist dabei aber wieder einmal keine Verbündete.“