Redebeitrag: Rechter Raumkampf

Liebe Freund*innen, Genoss*innen, Mitstreiter*innen, Mitdemonstrierende,

wir möchten als Antifa-Gruppe einen Blick auf eine ätzende Variante von Freiraumkämpfen werfen – konkret: Es geht um rechten Raumkampf. Denn nicht nur linke, alternative und irgendwie emanzipatorische Bewegungen haben ein Interesse an Stadtteilarbeit und an der Gestaltung ihres Viertels. Auch Rechte und Neonazis üben sich in ihrer eigenen Version vom Kampf um den öffentlichen Raum. Und wie so häufig, wenn es um Neonazis geht, hat Dortmund davon eine ganze Menge zu bieten.

Transparent der MSA Dortmund

Obwohl wir davon ausgehen, dass wir hier alle diesbezüglich derselben Meinung sind, möchten wir direkt zu Beginn klarstellen: Wie auch in allen anderen Bereichen ist bei dem Thema keine Zusammenarbeit mit Rechten möglich! Wer glaubt, im Stile einer Querfront mit Neonazis gegen Aufwertung und Verdrängung arbeiten zu können, wird schnell merken, dass ein solcher Schuss immer nach hinten losgehen muss. Während die Konzepte, für die wir streiten, mit Schlagworten wie “Stadt für alle” betitelt werden, heißt die logische Konsequenz jeder stadtteilpolitischen Aktivität von Neonazis “national befreite Zone”. Neonazis geht es nicht darum, Verdrängung zu problematisieren, sondern um die Verdrängung “der Anderen”. Sie wollen alle verdrängen, die in ihren Volksgemeinschaftsträumen keinen Platz haben.

Dass diesen Vorstellungen schnell auch Taten folgen, zeigen nicht zuletzt all die Angriffe von Neonazis auf besetzte Häuser, Protestcamps von Geflüchteten, alternative Zentren und Projekte. Als beispielsweise im August 2014 in Dortmund die Albertus-Magnus-Kirche besetzt wurde, versuchten direkt am nächsten Tag rund 40 Neonazis das Soziale Zentrum anzugreifen.

Rechter Raumkampf ist also sowohl eine praktische Gefahr als auch bereits auf der theoretischen Ebene ein Hindernis für alle, die sich für solidarische Viertel, für autonome, soziale und kulturelle Stadtteilzentren und so weiter einsetzen. Die schlechte Nachricht ist: Auch Neonazis bedienen sich in ihrem Raumkampf unterschiedlicher Strategien. Immer geht es ihnen darum, Angsträume zu schaffen. Menschen das Gefühl zu vermitteln, sich auf dem Territorium der Neonazis zu bewegen. Die paar Straßenzüge, die von den Neonazis, aber auch vielen ihrer Gegner*innen oft zum “Mythos Dorstfeld” und zum “Nazi-Kiez” umgedeutet werden, zeigen exemplarisch das Ergebnis jahrelangen rechten Raumkampfs und seiner Wahrnehmung.
Vollgestickerte, -plakatierte und mit schwarz-weiß-roten Graffiti besprühte Straßenzüge sind eine Strategie. Das unmittelbare Präsenzzeigen im öffentlichen Raum, das Einschüchtern oder sogar Angreifen von augenscheinlichen Migrant*innen, Linken, Jüd*innen oder LesbianGayBiTransInterQueer-Personen ist eine andere. Mittelfinger gehen raus an den Neonazi Steven Feldmann, der für genau diese Art von Raumkampf derzeit im Knast in Dortmund sitzt. Mittelfinger gehen auch raus an Dirk Klaszcyk, der hier am Nordmarkt regelmäßig säuft und Linke angeht.
Doch bereits der Neonazi, der mit seinem Thor Steinar-Shirt an der Bushalte steht, praktiziert eine Raumnahme. Er signalisiert seinen Kamerad*innen, dass sie sich hier offen zu ihrer Ideologie bekennen können und seinen Gegner*innen, dass hier ein Neonazi keine Angst zu haben braucht, sich als solcher zu erkennen zu geben.

Apropos Thor Steinar: Mit dem Laden im Brüderweg 15 gibt es jetzt eine Thor-Steinar-Filale in der Dortmunder Innenstadt. Die Marke ist dabei mehr als nur eine Marke für nordisch anmutende Alltagsklamotten. Dahinter verbirgt sich eine Marke von und für Neonazis. Der Thor-Steinar-Laden ist der einzige in Westdeutschland und damit ein besonderer Anziehungspunkt für Neonazis aus ganz NRW. Er steigert das Prestige der Dortmunder Rechten in der bundesweiten Naziszene und dient Neonazis in der Innenstadt als Anlaufpunkt – und nicht zuletzt als Provokation und Kampfansage an alle ihre Gegner*innen.
Der Erwerb und die Anmietung von Immobilien sind in Dortmund Teil rechten Raumkampfs. Es geht um die Schaffung rechter Anlaufpunkte und Rückzugsräume. Dortmund hat eine lange Geschichte solcher Unternehmungen. Vom ehemaligen Nationalen Zentrum auf der Rheinischen Straße über die Nazi-WGs in einigen Straßen Dorstfelds bis zur Gründung einer eigenen Immobilienfirma durch den Neonazi Matthias Deyda.

Das klang jetzt alles etwas düster, aber wir haben auch eine gute Nachricht: All das müssen wir nicht tatenlos hinnehmen. Rechte Aufkleber und Graffiti können wir verschwinden lassen. Wenn Neonazis versuchen, sich am Nordmarkt oder anderswo breitzumachen, können wir dagegen auf unterschiedliche Art und Weise mobilmachen. Und wir können Neonazis aus rechten Immobilien jagen und dort eigene Projekte großziehen. Proteste wie die Kundgebung gegen den Thor-Steinar-Laden am vergangenen Montag sind nur ein Mittel von vielen, um Neonazis in ihrem Raumkampf anzugreifen. Immer dort, wo antifaschistische und emanzipatorische Praxis stark ist, können Rechte weniger Einfluss nehmen. Stehen wir gemeinsam solidarisch gegen rechte Provokationen und Angriffe. Unterstützen wir all jene, die von rechter Gewalt betroffen sind. Geben wir den Neonazis keinen Raum. Was also ohnehin sinnvoll ist, erfüllt obendrein auch einen praktischen Nutzen: Die Vernetzung von Freirauminitiativen und stadtteilpolitischen Projekten mit der antifaschistischen Bewegung und die Ergänzung ihrer Perspektiven sind schonmal ein guter Schritt auf dem Weg zur befreiten Gesellschaft. Denn diese Perspektive ist eine von selbstverwalteten Städten, die jenseits von Verdrängung und Zwang zum Konsum ein Zusammenleben ermöglichen, die die Bedürfnisse der Bewohner*innen in den Vordergund rücken und nicht die endlose Verwertung des Kapitals. Denn ein nazifreies Viertel ist noch lange kein solidarisches Viertel.

Kämpfen wir gemeinsam für das Gute Leben für alle!
Rechten Raumkampf unmöglich machen!
Wohnungslosigkeit und Verdrängung angreifen!
Für eine Stadt für Alle!

Autonome Antifa 170

 

(Tanzdemo „Träume unter Asphalt“ 07.09.2019)

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