Redebeitrag auf der Demonstration gegen rechten Terror am 20. Februar

Foto: Leopold Achilles

Am 20. Februar, einen Tag nach dem rassistischen Terroranschlag in Hanau, gingen in Dortmund spontan mindestens 600 Menschen auf die Straße. Wir haben auf der Demonstration folgenden Redebeitrag gehalten:

 

 

 

„Wir laufen heute durch die Dortmunder Innenstadt und Nordstadt, um unsere Trauer und Wut über den gestrigen Terroranschlag in Hanau auf die Gäste zweier Shishabars auf die Straße zu tragen. Der Täter hat in den beiden Shishabars insgesamt neun Menschen getötet und anschließend ebenfalls sich und seine Mutter erschossen. Zweifellos war das Motiv ein rassistisches und extrem rechtes: Die Gäste der Shishabars mussten sterben, weil sie in den Augen des Täters ein Fremdkörper in Deutschland waren. Sie mussten sterben, weil der Täter überzeugt war, dass es nicht mehr möglich sei, immigrierte Menschen in Deutschland zur Ausreise zu bewegen, weswegen sie vernichtet werden müssten. Diesen abscheulichen und rassistischen Hass artikulierte er in einem Manifest, das er vor der Tat im Internet veröffentlichte.

Doch obwohl genau dieser einzelne, widerliche Faschist für den Tod zahlreicher Menschen verantwortlich ist, liegt unser Augenmerk nicht auf dem Täter alleine. Der Anschlag reiht sich ein in weitere rechtsterroristische Anschläge in der Bundesrepublik. In der vergangenen Woche gab es zwei Anschläge in und bei Bremen: Ein Restaurant wurde aus rassistischen Motiven mit Hakenkreuzen besprüht und anschließend in Brand gesteckt. In einem selbstverwalteten Jugendzentrum wurde während eines Konzerts Feuer gelegt. 
Im vergangenen Oktober verübte ein Rassist und Antisemit zwei Anschläge auf eine Synagoge und ein Restaurant in Halle, bei denen zwei Menschen sterben mussten. 
Im Sommer letzten Jahres wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf seiner Terrasse von einem Rechtsterroristen erschossen. 
Einer der Höhepunkte des deutschen Rechtsterrors fand auch in Dortmund statt: Der Mord an Mehmet Kubaşık, eines von zehn Mordopfern des Nationalsozialistischen Untergrunds.

Alle Täter agierten in einem gesellschaftlichen Klima, in dem Hass auf migrantische Communities und nicht-weiße Menschen prächtig gedeihen kann und mit wenig Widerstand seitens des Staates zu rechnen braucht. In vielen Fällen sind die Strafverfolgungsbehörden, der Verfassungsschutz, Polizei und Militär selbst in rechte Umtriebe verwickelt, wie nicht zuletzt im NSU-Komplex oder dem rechten Tarnverein Uniter deutlich wurde, dessen Mitglieder unter anderem Angehörige der Polizei und Bundeswehr sind.

Dies sind Spitzen eines Eisbergs, der in seiner Gänze den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft abbildet. Dieser endet in rechtem Terror und rechten Staatsvorstellungen, beginnt jedoch in der Zivilgesellschaft, in der rassistische Erzählungen hofiert werden. In vielen Medien werden Polizeimaßnahmen in migrantischen Stadtteilen unkritisch begleitet oder gefeiert – darunter auch unzählige Razzien gegen Shishabars. Von diesen wahnwitzigen, rassistischen, mitunter brutalen Razzien gab es auch unzählige in der Dortmunder Nordstadt. Bei diesen Razzien werden dann kleine Mengen unversteuerten Tabaks sichergestellt und stolz der Presse präsentiert. Wir stellen an dieser Stelle auch die soziale Frage: Warum bleibt der mediale Aufschrei aus, wenn Produktionsmittel-, und Kapitalbesitzende in Millionenhöhe Steuern hinterziehen und sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden? Stattdessen werden Kleingastronom*innen aus rassistischen Motiven mit sämtlichen Mitteln des staatlichen Repressionsarsenals überzogen. 

Wer parallel dazu von staatlicher Repression und gesellschaftlicher Ächtung verschont bleibt, ist so erstaunlich wie unfassbar: hunderte Rechtsterrorist*innen in der Bundesrepublik, AfD-Politiker*innen wie Höcke, der noch am vergangenen Samstag zu einem Umsturz aufrief und all diejenigen, die an einer Gesellschaft arbeiten, die Ausgrenzung, Homogenisierung und schließlich Vernichtung mit sich bringt.

Obwohl rechter Terror in Deutschland weiterhin erwartbar bleibt, sind wir traurig, wütend und fassungslos. Über den Anschlag in Hanau, aber auch über eine Öffentlichkeit, die rechten Terror, Rassismus, Antisemitismus und einen sich in Deutschland formierenden faschistischen Block immer noch nicht ernst genug nimmt, ihn verharmlost, relativiert und ihm somit Vorschub gewährt. 

Dies müssen wir gemeinsam verhindern! Gegen die rassistische und autoritäre Formierung und für die befreite Gesellschaft der Vielen!“

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