Aufruf von NIKA NRW
Die AfD und ihre Fans flanieren derzeit genüsslich über die Rosen, die ihnen bereitwillig auf den Weg gestreut werden. Von Wahlerfolg zu Umfragehoch zu gesellschaftlicher Normalisierung spazieren sie mit „Stadtbild“-Debatten und Co. im Rücken. Von den Erklärungen der AfD zur „Hauptfeindin“ oder Brandmauern ist real wenig zu sehen. Jenseits des Widerstands, der ihr von antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Seite entgegengebracht wird, hat die AfD derzeit wenig zu befürchten – wäre da nicht die Sorge vor möglichen Verboten, die Teile der Partei umtreibt.
Den Nachwuchs an die kurze Leine?
Die verordnete Selbstauflösung ihrer Jugendorganisation im März diesen Jahres ist Ausdruck dieser Sorge. Nun soll am 29./30. November der Gründungskongress der neuen Jugendorganisation in Gießen stattfinden. Die aufgelöste Junge Alternative war für die AfD vieles: aktivistisches Potential, Radikalisierungsmotor, Scharnier in weitere extrem rechte Strömungen, Kaderschmiede – und zumindest für den Teil der Partei, der um ein seriöses Auftreten bemüht ist, Anlass für betretene Mienen, während der völkische Flügel um Höcke und Konsort:innen Beifall klatschte. Mit ihrer offenen Flanke in neofaschistische Kreise zwischen Neonazikameradschaft, Identitärer Bewegung und Burschenschaft und den oft deutlich radikaleren inhaltlichen Tönen war die JA verlässliche Lieferantin für Argumente für ein Verbotsverfahren sowohl ihrerselbst, als auch der AfD. Nach außen hin solle nun im Sinne einer „Mäßigung“ die Jugendorganisation enger an die Partei angeschlossen werden, um mehr Kontrolle ausüben zu können, wie derzeit häufig zu lesen ist.
Same shit – different label
Aber wer sollte hier „mäßigen“, wenn die Mutterpartei selbst jeder auch nur strategischen Änderung in ihrer Kommunikation zuletzt eine klare Absage erteilte? Auch das Personal, das derzeit für die Spitze der neuen Jugendorganisation gehandelt wird, lässt darauf schließen, dass es keinen Bruch mit dem bisherigen Kurs der JA geben wird. Zwar tobt an einigen Ecken ein Machtkampf, welche Fraktion in der AfD wieviel Einfluss auf die Parteijugend haben wird. Dass es etwa in NRW dem Landesvorstand um Martin Vincentz gelingen wird, den Einfluss der völkischen Hardliner um Matthias Helferich auf den Nachwuchs zurückzudrängen, darf aber höflich bezweifelt werden. Zu eng sind die Verbindungen, zu sehr haben sich auch die alten Kader der JA bemüht, sicherzustellen, dass auch in der künftigen Organisation kein Weg an ihnen vorbeiführen wird. Was sich allerdings durch die Umstrukturierung ändern dürfte, sind die Hürden für mögliche Verbote der Jugendgliederungen. Unterm Strich findet hier also ein Absicherung der eigenen Strukturen statt.
Wer zündelt besser?
Die AfD wird damit die vermutlich größte aktuelle Gefahr staatlicherseits für ihre Strukturen los. In Bezug auf sich selbst kann sie weiter darauf vertrauen, dass vor allem im medialen Feld zwischen Union und AfD Stimmung gegen ein AfD-Verbot gemacht wird und CDU/CSU – von wenigen Ausnahmen abgesehen – aus dem „schärfsten Schwert der wehrhaften Demokratie“ bereitwillig Pflugscharen basteln, um auch weiterhin den „Kulturkampf“-Acker zu bestellen, auf dem die AfD seit Jahren ihre Ernte einfährt. Ob Rückabwicklung feministischer und queerer Errungenschaften, Giften gegen die Klimabewegung und Bürgergeldempfänger:innen, Angriffe auf eine kritische Zivilgesellschaft, Verteufelungen jedes konsequenten Antifaschismus‘ oder die immer neuen Anläufe zur weiteren Verschärfung der Migrations- und Asylpolitik: Die autoritäre Umformung der Gesellschaft ganz nach Gusto der extrem rechten AfD wird als politischer „life hack“ präsentiert. So „stelle“ man die AfD nämlich inhaltlich oder so ähnlich. Man will sich den Rechtsruck nicht von den Rechten wegnehmen lassen. Dass diese Strategie nicht im Geringsten aufgeht, schreien die Umfragen von den Dächern. Vor diesem Hintergrund wird es auch zur selbsterfüllenden Prophezeiung, dass das reaktionäre Potential in der Gesellschaft, das man fleißig anfüttert, nicht mit einem AfD-Verbot verschwinden würde.
Antifa muss man selber machen
Relevante Teile der Mitte halten den Faschisten weiterhin fleißig den Steigbügel – „bekämpfen“ sie, indem sie ihre Politik gleich selbst umsetzen. Eine Breite, handlungsfähige „Bewegung der Mitte“ bleibt aus. Der Politische Wille für ein AfD Verbot fehlt.
Es bleibt also weiterhin uns überlassen, dem rechten Comeback die Stirn zu bieten. Die nächste Gelegenheit dazu bieten die Proteste gegen den Gründungskongress der AfD-Jugend in Gießen: Das Aktionsbündnis „Widersetzen“ organisiert, wie bereits bei den Bundesparteitagen der AfD in Essen (2024) und Riesa (2025), massenhaften Protest. Ab den frühen Morgenstunden wird es Aktionen Zivilen Ungehorsams geben.
Informiert euch über Anreisen aus euren Städten und fahrt mit!
Rauch statt Rosen – Machen wir die Gründung der AfD-Jugend zum Desaster!
Nachtrag:
Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt
Auch die Stadt Gießen scheint den Faschist*innen der AfD und der neuen Jugendorganisation einen möglichst unbeschwerten Gründungskongress ermöglichen zu wollen: so wurden viele der angemeldeten Kundgebungen u.a die des DGB, in Stadtteile verlegt, in denen Protest in Sicht- und Hörweite unmöglich ist. Alle Kundgebungen sollen nun westlichen der Lahn stattfinden – ein ganzer Stadtteil soll für die Faschist*innen abgeriegelt werden. Parallel läuft die Diffamierung des breiten Gegenprotests bereits auf Hochtouren. Unter Einsatz des ganzen Arsenals der Springerpresse ebnet man vorab den Weg für massive Polizeigewalt und Repression.
Gegen die massiven Einschnitte in die Versammlungsfreiheit haben Widersetzen und weitere Veranstaltende Rechtsmittel eingelegt. Unabhängig davon, wie die Urteile ausfallen werden – die verheerende Botschaft an die Zivilgesellschaft ist bereits angekommen: Versammlungsfreiheit nur, wenn der Nazi-Kongress davon unberührt bleibt –
Grundrechte nur, solange sie die Nazis nicht stören.






