Der 4. Juni liegt hinter uns, und mit ihm die Aktionen gegen den Naziaufmarsch. Zeit für einen Rückblick und eine erste Bilanz der AA170 als Teil des Antifaschistischen Arbeitskreis NoTddZ 2016 und des Bündnis BlockaDO.
Den Ablauf des 4. Juni hat die Polizei bestimmt. Sie hat einen Ausnahmezustand in Kraftgesetzt und ca. 50.000 Dortmunder_innen einem Kontrollregime unterworfen, um knapp 1000 Neonazis das Marschieren zu ermöglichen. Etwa 4700 Einsatzkräfte haben die Vororte Huckarde und Dorstfeld in ein Sperrgebiet verwandelt und es gegen unsere Versuche verteidigt, auf die Route des Naziaufmasches zu kommen. Auch wenn es gelungen ist, dieses Sperrgebiet an mehreren Stellen zu überwinden, hat das nicht gereicht, um die Neonazis vom Marschieren abzuhalten. Die Blockade des Dorstfelder Bahnhofs wurde gewaltsam geräumt, in Huckarde griff die Polizei Antifaschist_innen an, die sich für ihren Geschmack zu nah an der Route befanden. Andere wurden schon am Rande der Sperrzone Ziel von Pfefferspray und Schlagstock. Etwa 150 Menschen brauchten die Hilfe von Demosanitäter_innen.
Dieser Ausnahmezustand ist politisch gewollt. So wenig die Herrschenden in der Stadtpolitik Neonazis auch mögen, sie sind noch weniger bereit, andere Lösungskonzepte als ihre gescheiterte Verbotsstrategie zuzulassen. Insbesondere die Vorstellung, ca. 2500 Antifaschist_innen könnten die Sache selber in die Hand nehmen und die Route einfach blockieren, scheint ihnen als schlimmeres Übel zu gelten, als die Wiederetablierung Dortmunds als Schauplatz für Nazigroßaufmärsche. Konzepte des zivilen Ungehorsam sieht man in der Chefetage von Rathaus, DGB und Kirchen vor allem als Angriff auf den eigenen Alleinvertretungsanspruch. 70 Jahre SPD-Machtfilz dulden keine erfolgreichen Organisationsansätze neben sich. Die Polizei versteht das ganz richtig als politische Rückendeckung für ihre Eskalationsstrategie.
Das Vehikel, diese Strategie zu legitimieren, ist die Warnung vor Ausschreitungen Autonomer Antifaschisten_innen, wahlweise aus Dortmund oder importiert. Mit diesem Schreckensszenario begründet die Polizei ihre Desinformationskampagne genauso wie den massiven Personaleinsatz mit Hundertschaften aus nahezu allen Teilen Deutschlands und deren gewalttätiges Vorgehen. Dabei kann sie sich auf Schützenhilfe vieler Medien, allen voran den WDR und die Ruhrnachrichten, verlassen: Gruselmärchen von Steindepots und aus anderen Teilen des Landes importierter Gewalt wurden unkritisch verbreitet. Es wird sich zeigen, ob nach dem Ausbleiben des Jahrtausendkrawalls beim nächsten Naziaufmarsch solche Prognosen kritischer hinterfragt werden.
Doch es gibt auch Erfolge: Die Nordstadt scheint als Ort für solche Aufmärsche nicht sicher genug. Das ist ein Resultat langjähriger antifaschistischer Arbeit vieler Akteure. Die militanten Aktionen gegen Naziauftritte haben hieran ebenso Anteil, wie die starken Mobilisierungen im Viertel und das entschlossene Auftreten der Bezirksvertretung.
Auch die Resonanz auf unsere Vorbereitung hat uns positiv überrascht. Bundesweit interessierten sich Antifaschist_innen für die NoTddZ-Kampagne und organisierten mit uns zusammen die Gegenaktionen. Im Ergebnis hat das dazu geführt, dass Samstag morgen aus über 20 Städten Antifaschist_innen koordiniert angereist sind und mit uns an verschiedenen Stellen gegen den Naziaufmarsch vorgegangen sind.
Für die Neonazis war der Tag jedoch ein noch größerer Erfolg. Abgesehen von der politischen Niederlage um die Nordstadt konnten sie ihre Ziele erreichen. Sie haben sich und der bundesweiten Neonaziszene Handlungsfähigkeit bewiesen und nach Jahren wieder ein Großevent erfolgreich durchgeführt. Für die Zukunft heißt das nichts Gutes: Die Nazis werden Dortmund weiterhin als Schauplatz ihrer Großaufmärsche nutzen. Sie wissen nun mehr noch als zuvor, dass sie sich dabei auf die Polizei und die Stadtspitze verlassen können.