Gedenken an die Deportation Dortmunder Sinti:zze und Rom:nja

Mahnmal in Gedenken an die aus Dortmund deportierten Sinti:zze und Rom:nja. Inschrift: "Zu ehrenden Gedenken an die Ermordeten und den Lebenden zur Mahnung, stets rechtzeitig der Unmenschlichkeit entgegenzutreten.“

Blumen am Mahnmal nahe des Ostbahnhof.

Vom ehemaligen Ostbahnhof aus wurden am 9. März 1943 Sinti:zze und Rom:nja aus Dortmund und Umgebung ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Wir gedenken heute der Deportierten und Ermordeten.

„Zum ehrenden Gedenken an die Ermordeten und den Lebenden zur Mahnung, stets rechtzeitig der Unmenschlichkeit entgegenzutreten.“ [Inschrift des Dortmunder Gedenksteins.]

1. Antiziganismus und Verfolgung von Siti:zze und Rom:nja im NS (Porajmos)

Im Nationalsozialismus wurden Sinti:zze und Rom:nja systematisch verfolgt. Mit einem Erlass vom 08.12.1938 wurden diese Menschen durch Forschungsstellen, SS und die Polizei erfasst. Mithilfe staatlicher und kirchlicher Träger wurden genealogische (Ahnenforschung) und anthropologische Studien durchgeführt, die später als Rechtfertigung für die Deportationen dienen sollten. Bis Kriegsende wurden 24.000 solcher Untersuchungen durchgeführt.
1938/39 gab es Massenverhaftungen und Sinti:zze und Rom:nja wurden in Konzentrationslager wie Dachau, Buchenwald und Frauen auch nach Ravensbrück gebracht, um dort für deutsche Firmen in Zwangsarbeit zu arbeiten. Ein Großteil starb dabei. In Auschwitz-Birkenau gab es sogar einen eigenen Block für Sinti:zze und Rom:nja. Am 16.05.1944 kam es in dem Lager zu einem einmaligen Aufstand, bevor es am 02./03.08.1944 aufgelöst wurde und die verbliebenen Menschen ermordet wurden.
In der Porajmos wurden geschätzt 500.000 Menschen ermordet.

2. Deportation aus Dortmund

Auch in Dortmund lebten Sinti:zze und Rom:nja. Auch hier wurden sie ausgegrenzt, in Lagern zusammengepfercht und schlussendlich in Todeslager depotiert.
Wir werden hier die Zeit von 1933 – 1943 kurz umreißen. Die Diskrimnierung und Ausgrenzung der Sinti:zze und Rom:nja fängt aber schon lange vor dem NS an und hat auch danach nicht aufgehört.

Ab 1933 wurde in der Stadt Dortmund der Wegzug von Sinti:zze und Rom:nja angestrebt, indem zahlreiche Razzien und Kontrollen durchgeführt wurden. Die Razzien erfüllten zudem den Zweck, Karteien über Sinti:zze und Rom:nja anzulegen und weiter zu füllen. Viele der betroffenen Menschen lebten in Dorstfeld.
Am 15. Juli 1937 kam es im Regierungsbezirk Arnsberg zum 2. Fahndungstag: In Dortmund wurden ab 5.30 Uhr Unterkünfte durchsucht. Vergehen konnte die Polizei keine Nachweisen. Trotzdem wertete die Polizei den Tag als „Erfolg“ – Es ging schließlich um die Stigmatisierung der Betroffenen und die Vorbereitung ihrer Vernichtung, nicht um tatsächliche Ahndung von Vergehen. 1938 wurden Menschen, die als „Arbeitsscheue“ und „Asoziale“ stigmatisiert wurden, in Konzentrationslager verschleppt. Dabei kamen 68 Sinti:zze und Rom:nja in das Lager Sachsenhausen. Darunter auch der Pferdehändler, Musiker und Schausteller Max Schopper.
Ab 1939 wurden zur Vorbereitung der Deportationen Lager in Scharnhorst, Hörde und Lanstrop errichtet. 1942 gab es ein Lager mit rund 80 Personen in Derne.
Am 09. März 1942, also heute vor 79 Jahren, wurde das Lager in Derne geräumt. Die Menschen wurden zum Ostbahnhof getrieben und von dort wurden 150 Sinti:zze und Rom:nja nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie am 14. März ankamen. Wie anderen Sinti:zze und Rom:nja wurde ihnen dort zusätzlich zur Nummer auf dem Arm ein „Z“ tätowiert. Es überlebte nur sehr wenige.

3. Kampf um Entschädigung

An die Deportationen von 1943 erinnert ein Gedenkstein an der Weißenburger Straße Ecke Gronaustraße. Er beruht auf einer Initiative des nordrhein-westfälischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma von 1995. Dieser forderte einen Gedenkstein an den letzten erhaltenen Teilen des Ostbahnhofs. Da dies nicht möglich war, wurde der Gedenkstein in unmittelbarer Nähe dazu erichtet. Die Einweihung fand am 07.12.1998, 55 Jahre nach den Deportationen, statt.
Mit einem Blick auf die nicht-geschehene Aufarbeitung der systematischen Verfolgung und Vernichtung der Sinti:zze und Rom:nja in Deutschland, überrascht dieses späte Datum leider nicht.
Die Nachkriegszeit war und ist durch weitere Stigmatisierung und den Kampf um Anerkennung geprägt. 1956 beispielsweise rechtfertigte der Bundesgerichtshof den Naziterror und verwehrte den Sinti:zze und Rom:nja Entschädigungszahlungen, womit er ihnen selbst die Schuld für ihre Verfolgung gab. Erst ab den 1980ern erreichte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma die Wiederaufnahme des Verfahren von 1956. Mehr als 3.500 „Einzelfälle“ wurden neu entschieden und die Betroffenen erhielten die vorher versagte Entschädigung für KZ-Haft, Berufs- und Ausbildungsschäden und die Gewährung von Renten für die erlittenen Körperschäden. In den 1990er konnte für 2900 Überlebende eine weitere einmalige Zahlung durchgesetzt werden.
Als wäre es an Widerlichkeiten noch nicht genug: Bei den Anträgen auf Wiedergutmachung wurden häufig Personen aus dem SS- und damaligen Polizeiapparat hinzugezogen. Sinti:zze und Rom:nja mussten sich zum Teil also den Menschen gegenüber setzen, die für ihre Entrechtung, Verfolgung und Deportation verantwortlich waren.

Mit unserem kurzen Text wollen wir auf die Menschen aufmerksam machen, die bei Gedenkveranstaltungen immer wieder ignoriert werden und deren Stigmatisierung und Diskriminierung sich auch nach dem NS weiter fortgesetzt hat.

Wir gedenken heute Max Schopper und all den zahlreichen weiteren unterdrückten, verfolgten und ermordeten Sint:zze und Rom:nja, deren Namen wir leider nicht wissen.

Nie wieder!

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