Redebeitrag: Pressefreiheit, „Querdenken“ und die Polizei

Unser Redebeitrag zum Thema Pressefreiheit und den Problemen mit „Querdenken“ und der Polizei von der Kundgebung „Gegen Corona-Leugung, Verschwörungsideologien und Antisemitismus“ am 25.04.2021 auf dem Hansaplatz, Dortmund:

Die selbsternannten Querdenker:innen kämpfen angeblich für Meinungs- und auch Pressefreiheit. Dass diese Behauptung wenig mit der Realität zu tun hat, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass Journalist:innen immer wieder unter Beifall anderer Querdenker:innen auf ihren Demos angegriffen werden. Was auf einige vielleicht zunächst widersprüchlich wirkt, ist nur folgerichtig, wenn man eines bedenkt: Ein zentrales Merkmal der Bewegung sind Verschwörungserzählungen. Ihre Mitglieder sind überzeugt, im Besitz der Wahrheit zu sein und irgendeinen großen Betrug aufgedeckt zu haben, machen aber die Erfahrung, dass ihr Unsinn in seriösen Medien nicht aufgegriffen wird. Und so wird die Presse schnell zum Teil einer großen Verschwörung phantasiert. Die Berichte passen nicht zu dem, was sich Querdenken als Berichterstattung wünscht? Das kann laut den Verschwörungsgläubigen nur daran liegen, dass die Presse gelenkt ist. Vom Staat oder direkt von geheimen Mächten und verschworenen Eliten. Wer hier an Antisemitismus denkt, liegt ganz richtig. 

Journalist:innen gehören zum Feindbild der selbernannten Querdenker:innen und so wird öfter „Lügenpresse“ skandiert, Journalist:innen öffentlich geoutet oder darauf hingewiesen, dass sie gerade auf der jeweiligen Demonstration sind und damit für vogelfrei erklärt. Es wundert also kaum, dass Querdenker:innen nicht einschreiten oder sogar Beifall klatschen, wenn der Neonazi Robin Zahn ein WDR-Kamerateam 2020 in Dortmund angreift, ein freier Dortmunder Journalist Anfang April in Stuttgart von einem Querdenker ins Gesicht geschlagen wird oder sie sich zum Einschüchtern von Pressevertreter:innen von mehreren Seiten um sie stellen und sie abfilmen, wie beispielsweise Anfang März in Dortmund. 

Und ja: Dass hier das Wort „Neonazi“ fällt, ist nicht weiter verwunderlich. Denn das Feindbild „Presse“ knüpft an ein Feindbild an, dass besonders in der rechten und neonazistischen Szene verbreitet ist.

Falls gerade jemand denkt: „Zum Glück haben wir ja die Polizei“, die:den müssen wir leider enttäuschen: Die Polizei ist häufig Teil des Problems „Gefahr für die Pressefreiheit“. Bei Übergriffen von Querdenker:innen auf Journalist:innen wird wahlweise weggeschaut oder der Presse gesagt, sie würde ja auch mit ihrer Arbeit provozieren. Und auch die Polizei schikaniert immer wieder die Presse. So gibt es teils trotz bundeseinheitlichem Presseausweis sich in die Länge ziehende Personalienkontrollen. Die Begründung der Polizei kann dann auch mal heißen: „Ich will mir deine Adresse unters Kopfkissen legen“ oder dass man ja wissen müsse, gegen wen man vorgehen könne, wenn die Bilder nicht gefallen. Kann man sich nicht vorstellen, dass sowas passiert? Das ist zwei Journalisten in Dortmund am 21.03.2021 passiert. Und in Berlin brachte ein Polizist es auf den Punkt als er über Journalist:innen sagte, sie seien ‚die Schlimmsten‘ nach den ‚Zecken‘. Es ist also kein Wunder, dass Reporter ohne Grenzen erst kürzlich den Rang der Pressefreiheit Deutschlands herabstufte.

Die Pressestelle entschuldigt sich zwar vorbildhaft für dieses Fehlverhalten ihrer Straßentruppen. Das ist aber nur Augenwischerei, wenn sich nichts an den Problemen ändert.

Die Polizei richtet manchmal Presseschutzzonen ein. Klingt auch sehr bequem, wenn man Pressevertreter:innen in einen abgesperrten Bereich schiebt. Birgt aber auch die Gefahr, dass Journalist:innen nicht immer von da berichten können, wo sie das wollen, sondern eben nur da, wo die Polizei es will. Und Schutzzonen bringen natürlich wenig, wenn man Nazis und Querdenker:innen mit teils selbstgebastelten Presseausweisen reinlässt und ihnen auch sonst ähnliche Privilegien zugesteht wie Journalist:innen.

Genau: Es gibt eine Art von Berichterstattenden, die Querdenken mag: Die, die nicht unabhängiger und freier berichten, sondern die, die einfach die Lügen und Erzählungen von „Querdenken“ selbst teilen. Das ändert nichts daran, dass die Bewegung „Querdenken“ zutiefst pressefeindlich ist. Im Gegenteil: Es macht deutlich, dass Querdenken keine andere Sichtweise, Meinung und keine Kritik akzeptiert.

Wir solidarisieren uns mit Journalist:innen, die von Nazis, selbsternannten Querdenker:innen und der Polizei in ihrer Arbeit eingeschränkt und dabei angegriffen werden.

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