Wir dokumentieren unseren Redebeitrag von der heutigen Kundgebung zum 8. Mai in Dorstfeld:
Nazis sind in Dortmund ein lange andauerndes Problem. Seit den 1980er Jahren ist diese Stadt kontinuierlich ein Tummelplatz für verschiedene Ausprägungen der rechten Szene, die von hier aus teilweise bundesweite Trends gesetzt und mitgestaltet hat. Fünf Morde durch Neonazis seit dem Jahr 2000 in Dortmund sind nur die Spitze eines Eisberges aus Gewalt gegen Menschen (und Sachen.)
Warum das so ist, haben wir und andere vor uns oftmals erklärt: Die Verantwortlichen in der Stadt und große Teile der Öffenltichkeit haben lange Jahre weggesehen, Zusammenhänge und Strukturen ignoriert und das Problem aktiv kleingeredet oder sogar komplett geleugnet. Die absurde Behauptung von Polizei und Politik Ende der 0er Jahre, Dortmund habe kein Naziproblem, ist nocht heute angesichts der vier schon damals öffentlich bekannten neonazistischen Morde ein schlechter Scherz.
Stattdessen wollen wir darüber reden, warum wir nicht mehr in der Situation stecken, mit der wir uns vor 10 Jahren konfrontiert sahen. Wir sagen: Das ist das Resultat kontinuierlicher antifaschistischer Arbeit.
Die antifaschistische Bewegung ist seit Jahrzehnten gut über die Naziszene infomiert. Wissen über die Neonazis kommt nicht von staatlichen Organen wie Polizei oder Verfassungsschutz. Wer die Untersuchungsausschüsse und Prozessberichte zum NSU und anderen rechten Terrorgruppen verfolgt hat, weiß, dass die Staatsschützer:innen oft erschreckend schlecht informiert sind. Und das was sie wissen, behalten sie für sich, statt es zum Schutz derjenigen zu nutzen, die im Fadenkreuz der Neonazis stehen.
Wer tatsächlich etwas über Neonazis und ihre Strukturen erfahren möchte, ließt besser die Fachpresse. Die antifaschistische Zeitschrift Lotta aus NRW oder die bundesweit erscheinenden Zeitschriften Antifa Infoblatt und Der Rechte Rand und immer wieder auch Publikationen lokaler Antifagruppen sind das Frühwarnsystem gegen Nazis – Im Verfassungsschutzbericht steht oft nur, was nicht mehr zu leugnen ist.
Antifaschistische Bewegung geht dahin, wo es den Nazis weh tut. Dass Naziaufmärsche in Dortmund immer unattraktiver geworden sind, liegt zuvorderst an einem Gegenprotest, der auf Wirkung zielt, statt auf Symbolik. Ende der 0er Jahre haben die Neonazis in Dortmund gut 1000 Teilnehmer:innen auf ihren Aufmärschen versammelt. Von solchen Zahlen sind die Dortmunder Neonazis heute weit entfernt. Dabei geht es nicht nur um die objektive Be- und Verhinderung von Neonaziaufmärschen wie durch die brennenden Gleise am 1. Mai 2009 oder Sitzblockaden bei verschiedenen kleinen und größeren Events der Naziszene. Der Protest mit dem Anspruch, ernsthafte Wirkung zu erzielen, schafft ein Klima, in dem die Verantwortlichen in Polizei und Politik handeln müssen, weil untätigkeit keine Option mehr ist. Denn von sich aus ist die Polizei eher damit beschäftigt, legitimen Gegenprotest zu verunmöglichen, statt sich um das Problem gewaltbereiter Nazis zu kümmern. Verlassen kann man sich also auf keinen Fall auf Stadt, Staat oder Polizei.
Antifaschistische Bewegung hat eine Perspektive über die Nazis hinaus. Die Ideologie der Neonazis ist tief in der bürgerlichen Gesellschaft verankert. Ihre Forderungen mögen dem Mainstream unappetitlich erscheinen, sind aber oftmals nur die von humanitären Skrupeln befreite Version des Nationalismus und Konkurrenzdenkens, der diesem und anderen bürgerlichen Staaten zugrunde liegt. Auf die Nazis zu zeigen ist einfach, aber für die Toten im Mittelmeer sind diejenigen verantwortlich, die auf den Regierungsbänken und in den Parlamenten dieses Staates sitzen. Diese Erkenntnis macht antifaschistische Arbeit zu einem Stachel im Fleisch der von Standortnationalismus und Grenzabschottung geprägten Gesellschaft. Sie steht nicht ratlos vor einem Phänomen wie den Dortmunder Neonazis, sondern hat erkannt, dass deren Bekämpfung viel tiefer reichen muss, als sie in ihrem konkreten Handeln einzuschränken.
Antifa ist nicht der radikale Gestus, sondern der kontinuierliche Störfaktor. Selbstüberschätzung ist fehl am Platz: Für die Sicherheit von Linken und rassistisch markierten tut ein Jahr Knast für Drewer mehr als jede Antifa-Sportgruppe. Dass die Nazis aber derart in die Ecke gedrängt stehen, ist kein Zufall, sondern der Erfolg von jahrelanger antifaschistischer Arbeit. Dazu gehören die Leute mit den schwarzen Jacken und lockeren Fäusten genauso wie diejenigen, die am Rande des bürgerlichen Staates gute Arbeit machen oder die, die seit Jahren und Jahrzehnten dafür sorgen, dass es eine Kontinuität der Arbeit gibt.
Unsere Empfehlung ist daher wenig orignell, sondern ein Klassiker: Organisiert euch. Schafft Strukturen, die dafür sorgen, dass auch morgen der Druck auf rechte Kräfte in diesem Land aufrecht erhalten wird. Entwickelt Handlungsmächtigkeit abseits von den Organen des bürgerlichen Staates.
Antifa heißt Angriff.