Redebeitrag auf der Demo in Remagen: Dortmund, die Nazi-Hochburg?

Die knapp 15-köpfige Abordnung der Dortmudner Nazis in Remagen

Die knapp 15-köpfige Abordnung der Dortmunder Nazis in Remagen

In Remagen marschieren heute Etwa 120 Neonazis, die den toten deutschen Kriegsgefangenen Gedenken wollen. Mit Phantasiezahlen und Gräuelgeschichten über das dortige Gefangenenlager versuchen sie sich an der Umkehr der Geschichte und stellen die Mörder aus Wehrmacht und SS, die in Remagen inhaftiert waren, als eigentliche Opfer des Krieges dar.

Immer mit dabei sind auch die Neonazis aus Dortmund, früher als „Nationaler Widerstand Dortmund“, seit dem Verbot in gleicher Besetzung als Partei „Die Rechte“. Im Rahmen der Gegendemo haben wir einen Redebeitrag zur Dortmunder Naziszene gehalten, den wir hier dokumentieren möchten:

Wir stehen hier in Remagen, um gegen den Nazi-Aufmarsch in Erinnerung an die Rheinwiesenlager zu demonstrieren. Bei dem Aufmarsch spielen auch Dortmunder Neonazis eine Rolle. Seit dem ersten Aufmarsch in Remagen beteiligen sie sich, halten Reden und unterstützen bei der Organisation. NS-Verherrlichung gehört für die Dortmunder Nazis zu den Kernthemen. Erst in der vergangenen Woche beteiligten sie sich beim städtischen Gedenken zum Volkstrauertag, den sie noch immer als Heldengedenken bezeichnen.

Die Dortmunder Neonazis, die sich in der Partei „Die Rechte“ organisieren, umweht ein Mythos. Die Szene in Dortmund sei groß, sei gewalttätig und besonders gefährlich. Nun wollen wir das Fascho-Problem in unserer Stadt nicht klein reden, aber für eine realistischere Einschätzung sorgen.
Ja, mit fünf durch Nazis ermordeten Menschen hat Dortmund einen traurigen Spitzenplatz in NRW, und ja die NS-Szene baut auf Kontinuitäten seit über 30 Jahren auf. Und es stimmt auch, dass die Nazis bis zum Verbot des „Nationalen Widerstands“ im Sommer 2012 immer wieder durch gewalttätige Übergriffe aufgefallen sind, und dass Menschen, die in ihr Feindbild passen, es in dieser Zeit nicht leicht hatten in Dortmund.

Mittlerweile sieht es in Dortmund aber anders aus.

Die Nazis sind Medienprofis und wissen sich zu inszenieren. Ein Großteil ihrer Aktionen sind mittlerweile fast ausschließlich auf eine möglichst große Resonanz in der Presse ausgerichtet. Das beste Beispiel dafür ist der rechte „Stadtschutz“. Seit dem Sommer 2014 streunen immer mal wieder ein paar Nazis in einheitlichen T-Shirts über Friedhöfe, durch Busse und Bahnen, oder Stadtteile mit hohem Migrantenanteil. Sie tun dies, um für „Sicherheit und Ordnung“ zu sorgen. Immer ist ein Kamerad dabei, der die „Streifen“ des „Stadtschutz“ fotografiert oder filmt. Der einzige Zweck der Aktionen ist es nämlich, später einen Bericht auf der eigenen Internetseite zu veröffentlichen. Und so dauern die „Streifen“ der Nazis auch selten länger als man für ein paar Bilder braucht.

Andere Beispiele für die Aktivitäten der Nazis sind eine Anfrage im Stadtrat, wo und wie viele Jüdinnen und Juden in Dortmund leben. Oder eine Rabattaktion des örtlichen Naziversandes für Bürger aus Heidenau, die nach den rassistischen Krawallen 20 Prozent auf Sturmhauben und Zwillen bekommen sollten.

Jede dieser Nazi-Aktionen zog ein großes Medienecho nach sich. Teilweise wurde in bundesweiten Zeitungen von einer „Bürgerwehr“ der Nazis oder ähnlichem gesprochen. Kurz gesagt, in Dortmund führt gerade jedes in eine Mülltonne geritzte Hakenkreuz zu mehrseitigen Berichten und Empörung vom Oberbürgermeister über den Polizeipräsidenten bis zum Leiter des Skatklubs in Dortmund-Scharnhorst.

Die Empörung und die große mediale Aufmerksamkeit für die Nazis sind für uns als Dortmunder Antifa-Gruppe ein zweischneidiges Schwert. Vor einigen Jahren wurde von offizieller Seite noch bestritten, dass es in Dortmund überhaupt ein Nazi-Problem gäbe. Aufmärsche fänden statt, weil Dortmund so verkehrsgünstig gelegen sei. Übergriffe von Nazis wurden verleugnet, verharmlost oder als Schlägereien unter Jugendlichen abgetan. Das ist heute nicht mehr der Fall. Nein, an der Oberfläche tut die Stadt viel gegen Nazis. Es vergeht nicht eine Woche, in der nicht irgendeine Veranstaltung „gegen Rassismus“, „für Courage“ oder „Weltoffenheit“ stattfindet. Eine Kritik an der Ideologie der Nazis findet allerdings nicht statt. Und auch, wenn es darum geht, sich Aufmärschen in den Weg zu stellen, ist von der Stadt, der seit Jahrzehnten regierenden SPD oder den Gewerkschaften in Dortmund nicht viel zu erwarten.

Auch die Berichterstattung über Dortmunder Nazis kann mensch kritisieren. Viele Medien tappen damit in eine Falle der Nazis. Sie wollen, dass über ihre Aktionen berichtet wird, denn nur so können sie das über sie vermittelte Bild aufrecht erhalten. Wenn Fernseh-Dokus mit Titeln wie „Mut gegen Macht“ gesendet werden, freuen sich die Nazis. Sie werden medial überhöht, als mächtig und Angst einflößend dargestellt. Das nützt ihnen, um in der bundesweiten Nazi-Szene weiter an Renommee zu gewinnen und um Nachwuchs zu werben.

Doch die Wirklichkeit in Dortmund sieht längst anders aus. Im Zusammenspiel von entschlossenen Akteuren innerhalb der Zivilgesellschaft und militanten Antifas gelang es in den letzten Monaten immer wieder, Kundgebungen und Aufmärsche der Neonazis zu behindern und den Nazis ihre Aktionen zu versauen. Als die Trainofhope-Züge mit Geflüchteten in Dortmund ankamen, wollten die Nazis ihre rassistische Hetze verbreiten. Dies misslang auf ganzer Linie. Eine spontane Kundgebung der Nazis in der ersten Trainofhope-Nacht wurde angegriffen, und als die Nazis wieder abreisen wollten, wurde ihnen der Weg zu ihrem Zug über eine Stunde blockiert. Eine weitere Kundgebung wenige Tage später erreichte ihren Ort nicht, da sich hunderte Antifaschisten in den Weg stellten. Auf der An- und Abreise wurde der Lautsprecherwagen der Nazis massiv mit Flaschen eingedeckt, und den Bullen gelang es nur mit brutaler Gewalt, das Auto zu schützen.

Die Nazis sind in der Defensive. Das heißt allerdings nicht, dass sie keine Gefahr mehr darstellen. Gezielte Übergriffe auf “Ausländer” und politische Gegner am letzten Oktoberwochenende und ein Brandanschlag am 1.11. zeigen, dass der Kampf gegen die Dortmunder Neonazis noch lange nicht vorbei ist. Eine über 30 Jahre verankerte rechte Szene verschwindet nicht über Nacht, weil die Antifa gerade Stärke zeigen kann.

Wir wollen und müssen dafür sorgen, dass die Dortmunder Nazis aus ihrer Deckung nicht mehr herauskommen. Das nächste rechte Großevent soll am 4. Juni 2016 stattfinden. Der „Tag der deutschen Zukunft“. Den TddZ gibt es seit einigen Jahren, bisher fand er vor allem in Nord- und Ostdeutschland statt. Bei diesem Event kooperieren die NPD, „Die Rechte“ und Kameradschaftsstrukturen. Die Erfahrungen aus den letzten Jahren zeigen, dass mit mehreren hundert Nazis aus dem ganzen Bundesgebiet gerechnet werden muss. Für die Dortmunder Neonazis eine wilkommene Gelegenheit, sich selbst und der bundesweiten Naziszene zu beweisen, dass sie es können. Da haben wir natürlich keinen Bock drauf. Wir sagen „Keine Zukunft für Deutschland!“ und werden bundesweit gegen den Großaufmarsch mobilisieren. Also kommt am 4. Juni 2016 nach Dortmund! Lasst uns gemeinsam deutsche Zukunftsträume und den Nazi-Mythos Dortmund zerstören!

Dieser Beitrag wurde unter In eigener Sache, Neonazis in Dortmund veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.